31. Juli 2020

Willkommen Zuhause

Vor einigen Wochen fand ich es verrückt, wie mich nur wenige Sekunden so aus dem Leben zerren konnten. Doch heute bin ich schon wieder ganz bei mir angekommen und völlig fasziniert vom Prozess der Heilung. Er übt mich in Geduld und Optimismus, lässt mich mehr auf meinen Körper hören und auch, wenn ich liebend gern auf diese Erfahrung verzichtet hätte, so will ich sie nun trotzdem nicht missen. Mental bin ich gewachsen wie Unkraut, keine Frage. Plötzlich findet man Vertrauen in der Welt, sich selbst und der Zeit. Und doch kann ich vieles immer noch nicht greifen. Vor allem nicht die Sorgen, von denen alle reden.


27. Juli 2020

L.


Ich wollte nicht allein sein und so zog es mich wieder in die Gärtnerei. Feuchtes Gras zwischen den Zehen; die Lampe am Arm baumelnd, denn dieser kurze Weg ist am schönsten im Licht der Sterne. Das ist das wunderbare am Himmel. Ich muss nur hinausgehen, um mich in ihm verlieren zu können, so wie ich es in deinen Worten und Gedanken tat. Die Rosen ließen ihre Köpfe hängen und so tat ich es auch nachdem du verschwunden warst. Du hattest ihnen ein zweites Leben geschenkt und sie dann doch wieder allein zurückgelassen. So bedrückend dieses Bild auch war, ich musste lächeln, wenn ich diese geköpften Rosen in Shotgläsern entdeckte. Sie waren plötzlich überall und manchmal frage ich mich, wohin mich diese verblühende Spur geführt hätte, wäre ich ihr gefolgt. Doch ich war und bin viel zu klein, um deine weit über dem Horizont kreisenden Ideen greifen zu können.

25. Juli 2020

Über Tiefpunkte


Sie gehen tatsächlich vorüber. 
Nach nur 36 Tagen kann ich das Krankenhaus endlich verlassen und mein Glück immer noch nicht fassen. Jetzt beginnt das entscheidene Jahr. Doch ich bin ganz zuversichtlich, dass am Ende alles gut wird. 
Vielen Dank für all die lieben Worte. 

23. Juli 2020

Aus einer anderen Zeit

Über der Stadt liegt ein schwacher Graufilter und erstaunlicherweise bringt er den Sonnenuntergang erst so richtig zur Geltung. Die Lichter zeigen einen Weg durch die Wälder bis hoch auf den Berg. Ich sitze gegenüber. Über mir zeigen sich langsam die Sterne, Fledermäuse fliegen wirr hin und her und es ist ein bisschen als würde ich in einen Spiegel schauen. Ich sehe über das Tal hinweg und stelle mir vor wie ich selbst gerade auf dem gegenüber liegenden Berg ein spiegelverkehrtes Ich auf einer identischen Bank sitzt und mich anstarrt, weil es sich gerade ein Spiegelbild hier drüben auf meiner Seite vorstellt. Warum kommt sie nicht einfach rüber? Warum können wir nicht zusammen diesen wundervollen Ausblick genießen? Es ist gerade genau die Zeit, die ich so liebe... Nächte in denen die Sonne ewig nicht untergehen will. 

21. Juli 2020

Ich denke an dich

Wie erdrückend zu wissen, dass ich dir nicht helfen kann, wenn dir etwas passieren sollte. Wahrscheinlich würde ich nicht einmal davon erfahren. Dann würdest du den Kampf ohne mich kämpfen, obwohl ich dir zu gern ganz viel Kraft senden wollen würde. Alles was ich kann, ist zu hoffen, dass das Schicksal auf deiner Seite bleibt, alles gut wird und falls doch etwas sein sollte, dass ganz viele wundervolle Menschen an deiner Seite stehen werden. In Gedanken bin ich bei dir, auch wenn du nicht einmal mehr an mich denkst. 

20. Juli 2020

Ein neuer Feind

Ich habe dich so geliebt und tue es immer noch. Doch unsere Beziehung ist toxisch. Versteh' mich nicht falsch. Es liegt nicht an dir, sondern ganz allein an mir. Ich hoffe wir können Freunde bleiben. Lass mir nur noch ein paar Jahre zum Heilen, dann werde ich gewiss den Weg zurück zu dir finden. Ich möchte dich nicht den Rest meines Lebens missen. Bitte nimm' mir das nicht übel. Doch jetzt brauche ich erstmal Abstand, denn du machst mich krank.
Danke für die schöne Zeit
Mach's gut, liebe Sonne ☀

19. Juli 2020

Alles gut bei dir?

Sie nimmt meine Hände.
Siehst du manchmal vor dir, was damals passiert ist?
Kannst du dich an den Unfall erinnern?
Es geht nicht anders. Ich muss lächeln. 
Ich kann mich an alles erinnern, aber nur wenn ich möchte.
Was mich tatsächlich verfolgt, ist die Sehnsucht nach Freiheit.
Sie möchte die ganze Geschichte von mir hören. 
Doch ich kann nur von der ganzen Liebe erzählen, die mich immer noch umhüllt.
Ein kleines Meer aus Tränen will meine Augen schwemmen. 
Manchmal ist man zur falschen Zeit am falschen Ort. 
Doch das war ich nie. 
Ich war zu jeder Zeit in den richtigen Händen 
und noch nie zuvor habe ich mich so sicher in dieser Welt gefühlt. 
Sie lächelt. 
Unsere Augen werden glasig. 
Endlich kann jemand meine Worte greifen. 
Ich glaube wirklich, sie kann den Frieden spüren. 

15. Juli 2020

Nase zum Himmel

Fast ein Monat verging bis ich endlich wieder frische Luft atmen durfte. Die Sonne ist mein neuer Feind, doch im Schutz der Bäume und Wolken habe ich mich nach draußen gewagt.
Einatmen und Ausatmen. 
Mir fehlen die Worte. 
Ich will nie wieder reingehen. 

14. Juli 2020

Wie die kleine Meerjungfrau

Bisher nichts als Ungewissheit. 
Habe ich meine Stimme gegen eine zweite Chance im Leben tauschen müssen?
Warum ausgerechnet die Stimme? 
Weil mir die Beine blieben? 
Sie kehrt gewiss zurück, wenn ich es mir nur fest genug wünsche. Denn ich möchte es nicht missen zu reden, zu lachen, zu singen,... Zu jeder Zeit und an jedem Ort. Schließlich habe ich noch lange nicht alles sagen können. 
Ich möchte sie noch nicht beerdigen, keinen Abschied nehmen. Die Zeit heilt ja bekanntlich alle Wunden. Lieber denke ich daran, dass selbst, wenn sie für immer verloren ist, da draußen noch tausend andere schöne Dinge warten, die mir das Leben mindestens genauso sehr versüßen können. 

13. Juli 2020

Oxycodon

Ich schwebe einfach mitten im Raum und wenn mich doch irgendetwas trägt, dann muss das ein Wolkenbett sein. Wenn ich mich zurücklehne, falle ich ganz langsam in andere Welten. Süßigkeitenberge, die sich formieren als würde man sie durch ein Kaleidoskop betrachten; Menschen, die aufeinander gestapelt den ganzen Raum einnehmen und unzählige Welpen, die mich einhüllen in ihrer Flauschigkeit. Ich kann riechen wer den Raum betritt oder auch nur vorbeigeht und weiß genau, was welcher Duft bedeutet. Ich bilde mir ein, dass Menschen an mir werkeln. Doch einmal blinzeln genügt, um die Halluzinationen verschwinden zu lassen. Wenn es Nacht wird, versuche ich das Leben aus mir entweichen zu lassen und falle ganz schwer in viel zu realistisch wirkende Träume, in denen wir durch die Straßen ziehen und versuchen vor der Dunkelheit zu fliehen. Ich kann kaum unterscheiden was wirklich und was ein Trugbild meiner Gedanken ist. 
Du nimmst meine Hand und ich denke, du würdest mich aufpumpen mit Flüssigkeiten, die mich zum Platzen bringen werden. Noch bevor du mich wecken kannst, befürchte ich, du würdest mein Bett einnehmen und wenn du mit mir sprichst, dann brauche ich genügend Zeit, um zu begreifen, dass du tatsächlich da bist. Du bist einfach da oder eben nicht. Doch für mich bist du eine Gestalt in so vielen Formen. 

12. Juli 2020

Über meine neue Haut

Verrückt...
Mein Zuhause hat gebrannt und nun baut es sich aus dem Nichts wieder auf. Vielleicht nicht ganz allein, doch aus eigener Kraft mit etwas Starthilfe. Denn ich liege hier einfach nur rum und beobachte wie mir glänzend neue Haut und ein starkes Bewusstsein wachsen. Mein Körper war so lange meine Oase und nun fühlt es sich an, als würde er zu einem prächtigen Palast werden. Die Haare wachsen langsam nach und auch die tiefen Wunden schließen sich. Bald schon werde ich die wunderschönen Narben überall auf mir begutachten können und das schönste ist, mir blieb der Sinn des Fühlens erhalten. 

Nur morgen wird sich noch einmal entscheiden, ob eine weitere OP notwendig sein wird. Drückt mir die Daumen. Ich bin mir ganz sicher, dass ich auch allein heilen kann. Schließlich hat das schon einmal vor einigen Wochen geklappt. Ich muss nur fest daran glauben. 

11. Juli 2020

Sag es mir

Manchmal frage ich mich, was du sagen würdest, könntest du mich jetzt sehen. Wärst du stolz und würdest mir sagen, dass alles gut wird, oder würdest du weinen und den Kopf schütteln, weil die Angst so viel Platz in deiner Brust eingenommen hat? 

10. Juli 2020

Los los los

Ich kann es kaum noch abwarten, endlich wieder in die Welt zu ziehen. Ich will zurückkehren in die K20 und ich will wieder nach Harzgerode, aber diesmal mit der Mischwald-Crew und vor allem will ich dir noch weitere Botschaften hinterlassen, überall dort, wo wir so glücklich waren, damit du an mich denkst, wenn du unterwegs bist. Denn offen gesagt will ich jetzt noch weniger vergessen werden. 

9. Juli 2020

Blick nach vorne

Dieser Weg ist ein Labyrinth. Nur wenige Worte genügen, um mich komplett vom Weg abzubringen. Dann stehe ich plötzlich in einer Sackgasse voller Wehmut und es kostet mich viele, viele gedankliche Umkehrungen, um zurück zur Positivität zu finden. Doch es hilft nichts. Wenn ich diese schwierige Zeit überstehen möchte, muss ich einen klaren Kopf bewahren. Irgendwann werde ich mich wieder in Leichtigkeit wiegen können. Irgendwann werde ich diese Last von mir lassen und alles was bleiben wird, sind die wunderschönen Narben auf meiner Haut, die mich daran erinnern, dass ich alles andere als schwach bin. 

8. Juli 2020

Außerhalb der Intensivstation.

Meine Beine sind so dünn geworden, dass ich befürchte, sie könnten durchbrechen, wenn ich nur kurz ohne die Verbände durch den Flur laufe. Kaum zu glauben, dass sie mich immer noch tragen können.
Doch sie sind tapfer und so gingen wir nach all den Tagen Isolation endlich durch diese verdammte Eisentür als wäre sie nie ein Hindernis gewesen und ich sah zum ersten Mal, was hinter ihr lag... Noch mehr Krankenhaus. Jetzt nicht den Mut verlieren. Vielleicht werden gar nicht mehr so viele Wochen vergehen bis ich endlich den Ausgang hinter mir lassen kann und mich das (fast) normale Leben wieder in die Arme nimmt. Ich kann es kaum erwarten... 

7. Juli 2020

Noch mehr Dankbarkeit

Ich kann mich an so viele Sachen erinnern. Fast möchte ich behaupten an alles.
Wie oft stand jemand an meinem Bett und hat mir gut zugeredet. Meine Mama hat mir sogar aus "Folge dem weißen Kaninchen" vorgelesen. Philosophie, genau das, was man braucht, wenn man auf den richtig harten Betäubungsmitteln in sich selbst zurückgelassen wurde. Man hielt meine Hand. Alles wird gut, habe ich so oft gehört. Dann habe ich so viel geweint und ihr dachtet, es sei um meiner Lage wegen. Dabei war es pure Dankbarkeit. Mein Herz hat sich fast überschlagen, weil ihr euch so rührend um mich gekümmert habt. Und diese kleinen Nervenzusammenbrüche gingen mir besonders nah.
"Alexx, du hast schon so viel geschafft. Jetzt schaffst du das auch noch." und alles was ich dachte war... Nein... Tief in mir bin ich schon eine Omi. Ich schaffe das nicht so schnell.
Aber jeden Morgen kamen R. Und M. in mein Zimmer wie zwei Sonnenscheine, um mir den Weg zurück zu zeigen. Womit habe ich das verdient? 

6. Juli 2020

Wachkoma

Die ersten Tage nach dem 20. Juni und woran ich mich erinnere. 

Ich kann nichts machen. 
Um mich herum ist es immer dunkel. 
Ein Schleier hat sich über mich gelegt.
Keine Ahnung, was mit mir passiert. 
Ich will so gern sagen, was mir fehlt, aber ich kann nicht.
Das Schmerzmittel berauscht mich so heftig und ich träume auf einem neuen Level. Ich werde wie getragen durch die Zeit. Warte auf meine OP, in der Hoffnung, dass ich danach wieder Ich sein werde. Was soll das für ein Leben sein? Es fühlt sich an, als würde ich verdursten. Tatsächlich werde ich künstlich ernährt.
Ich wünsche mir so sehr, dass mich jemand aus diesem Loch zieht.
Holt mich ab aus dieser Tiefe. 
Auf einmal stehen fröhliche Menschen neben mir. 
Sie machen mir Mut. 
Sagen alles wird gut. Doch ich sehe mich noch nicht kämpfen. Ich sehe mich nur voller Angst, dass man mir nicht mehr helfen kann. Ich versuche mir vorzustellen, was das wohl für ein Anblick sein muss. Dabei dachte ich nach dem Unfall, dass das alles nicht so schlimm sein kann. Ich mache alles, was man von mir verlangt, versuche zu kommunizieren und am Leben zu bleiben. Nur für eine Sekunde denke ich, dass auch ein guter Tag zum Sterben gewesen wäre. Zum Glück reden sie mit mir. Sie lassen mich nicht allein in meiner Ruine liegen.
Plötzlich wieder alles dunkel.
Ich wache kurz auf und schau an mir hinunter. Die Haut ist ab, aber ich kann mich nicht sehen. 
Versuche die Arme zu heben, doch es fühlt sich an, als wäre fast nichts von meinem Körper übrig geblieben. Wie soll ich plötzlich nichts sein, wenn ich vorher so viel war, frage ich mich.
Sie heben mich mit Leichtigkeit auf einen harten Untergrund. 
Immer noch Wachkoma. 
Ich halte die Maske, die sie mir geben über meinem Gesicht, ohne es zu berühren.
Tief einatmen.
Tief ausatmen. 
Bald wird alles besser sein. 
Tief einatmen. 
Tief ausatmen. 
Nichts passiert. 
Jemand sagt: "Gute Nacht." 

Lieben und Atmen

Vor und zurück.
Von der Schleuse zum Fenster.
Vom Fenster zur Schleuse.
Fast normal laufe ich durch die Flure. 
Den Tränen nah, denn ich kann mein Glück immer noch nicht fassen. 
Ich habe das Leben so sehr geliebt, und man hat mir einfach ein Zweites geschenkt.
Wieder zur Schleuse
Und zurück zum Fenster. 
Da draußen spielt das ganz normale Leben, das mir innerhalb von Sekunden geraubt wurde. 
Zumindest pausiert es.
Nur ein Hieb des Lebens, der mich an meine Sterblichkeit erinnern sollte. 
Immerhin kann ich jetzt den Himmel sehen. 
Ich kann sehen.
Was für ein großartiges Geschenk.
Schleuse.
Fenster.
Mein Körper ist mein sicherstes Zuhause;
Und es ist vielleicht abgebrannt, 
doch aus der Asche baue ich mir eine ganz neue Oase, 
mit noch mehr Platz für all die schönen Dinge dieser Welt. 
Mehr Platz für Liebe und Dankbarkeit, mehr Platz für all die Sachen, die mein Herz mit Freude füllen.
Und natürlich mit Platz für all die Menschen, die mir aus ihrer Liebe und Unterstützung Krücken gebaut haben, damit ich so schnell wie möglich wieder auf die Beine komme. 
Zurück zur Schleuse. 
Wieder zum Fenster. 
Ein letzter Blick in den Himmel. 
Du hast mich so stark gemacht. 
Wieder ins Bett.
Ich schaue auf meine Arme. 
Die Lunge ist schon fast wieder sichtbar. 
Glücklicherweise trage ich diese Botschaft unter der Haut. 
Lieben und Atmen. 
Mir tut alles weh. 
Doch ich bin am Leben
Ich liebe. 
Und ich atme. 

2. Juli 2020

Aussicht

Ich schaue so sehnsüchtig in die Zukunft, wie noch nie. Ich vermisse so vieles.. Die Luft der Welt in meinen Lungen, Sonnenschein, der bis ins Herz reicht, Wind in den Haaren und das Gefühl von Gras auf meiner Haut, wenn ich mich in den Schatten der Bäume lege. Doch jetzt bin ich hier und die Zeit hält mich mal wieder in der Gegenwart. Es gibt keine Maschine, die mich das alles ungeschehen machen lässt und ebenso existiert keine, die mich zu dem Tag bringen kann, an dem diese Zeiten hinter mir liegen werden. Die Heilung will durchlebt werden und so warte ich hinter den riesigen Stahltoren und lasse mir dickes Fell wachsen. Danach werde ich ohne Zweifel die stärkste Version meiner Selbst sein. Auf zwei Beinen, stolz wie noch nie und meine Stärke auf der Haut tragend, werde ich diesen Ort verlassen. Dann soll auch der letzte Schmerz aus alten Tagen von mir fallen. Ich will nichts als Dankbarkeit in mir spüren. Dankbarkeit für die zweite Chance auf ein Leben voller wunderbarer Dinge, wie Kirschen vom Baum, lange Sommernächte an der Leine und Straßen, die nach tausend spannenden Geschichten duften.