16. Dezember 2023

Sonnenuntergang

Das letzte Mal an wirklich nichts gedacht habe ich als wir alle im Wald lagen. Nicht weit von den Baggern, die sich wie längst verdrängte Erinnerungen an Tage, an denen man es nicht geschafft hatte, auf sich selbst aufzupassen, im Hintergrund versteckten und mit viel Lärm, schlechte Gefühle der Ohnmacht zurückbringen, wenn man nicht damit rechnet. Aber das taten sie an dem Tag nicht. Stattdessen lauschten wir dem Säuseln der Blätter und der Klänge einer der vielen spannenden Frauen, denen ich in diesem Sommer begegnet bin. Ich erinnere mich gern an den Zorn zwischen ihren Augenbrauen, der Sanftmut auf ihren Lippen und der Stärke in ihren Stimmen. Ohne zu zögern erheben sie sich für sich selbst, wenn es nötig ist. Niemals schweigen und die Haltung bewahren, welche Strafe auch droht. So sehe ich sie zumindest nach all den Geschichten von Gewalt und dem Eingesperrtsein und in meinen schlechtesten Zeiten sehne ich mich zurück in ihre Arme, um ihren verständnisvollem Schweigen lauschen zu können während ich daran arbeite, mich selbst wieder aufzufangen. Wer sonst kann mir die Wunden säubern, wenn das Feuer nach mir jagt und mich die Wut entsandten Worte erneut wie scharfe Pfeile treffen, um mich mit Bauchschmerzen zurückzulassen. Ich hatte mir vorgenommen auf nichts und niemanden mehr zu warten. Doch nun ist Winter und ich betrachte mich selbst kopfschüttelnd vor dem Kamin sitzen, wie ich warte und mich frage, ob sich das Glück an einem sichererem Ort versteckt hält.




18. November 2023

Ein winziges Fachwerkhaus

  Es fällt mir manchmal schwer zu glauben, dass ich nun tatsächlich in diesem kleinen Hexenhäuschen gelandet bin und jeden Tag etwas zutun ist, um es schöner und ein bisschen bewohnbarerer zu machen. Es ist sicherlich ein kleiner cottage girl dream. Kräuter aus dem Garten, so viel saisonales Gemüse, Kaminfeuer bis in die Nacht, Lehm, Holz und Stein wohin man schaut und super viel Zeit, um zu lesen oder die Vögel am gefluteten Fuße des Deichs zu beobachten. Und obwohl es nicht unbedingt mein Traum war, fällt es mir sehr leicht ihn anzunehmen, so schön wie es hier ist und so herzallerliebst ich es finde von Klaviermusik und Sonnenstrahlen geweckt zu werden. Ich will aus der Zeit hier eine größere Aufgabe machen, auf die ich am Ende stolz bin. Eine Zeit, die sich nicht nur nach Warten anfühlt, wenn ich später auf sie zurückblicke. Ich weiß bereits, dass dieses Häuschen eine großartige Schule ist. Es ist sicherlich um die 100 Jahre alt und lehrt mich so viele Dinge, die ich zuvor noch nie gemacht habe. Es lässt mich spüren, wie kalt ein Winter sein kann, wenn man faul ist und es hält unendlich viele kleine und große Aufgaben bereit, von denen mich mindestens die Hälfte erstmal mit Ängsten konfrontiert, von denen ich nicht wusste, dass ich sie hatte und die andere Hälfte mich in meditativen Kreativitätsschüben für Stunden fesselt. Was soll ich sagen... Klar, manchmal lässt es mich in einem einzigen Chaos zurück und ich wollte jetzt lieber schon woanders sein, aber ich bin trotzdem froh nun hier zu sein.






5. September 2023

Ein wechselhafter Sommer

 Es hat ganz gut getan, einige Zeit stumpf an meiner Bachelorarbeit arbeiten zu können, während sich die Zeit ohnehin wie Kaugummi zieht und jegliche andere Last viel schwerer wiegt als der Druck einer Abgabefrist. Als es endlich geschafft und alle Sachen gepackt waren, hat sich vor mir ein sehr milder Sommer aufgetan und ich glaube, er war perfekt, um ganz tief Luft zu holen und meine Gedanken dahin zu lenken, wie ich meine neu gewonnene Zeit nun nutzen möchte. Ein Sommer voller Spaziergängen am Deich, Enten wo man nur hinsieht, Katzen in Umzugskartons, Festivalvorbereitungen, Blödeleien im Museum, bunten Blumen auf dem Teller, Kerzenschein am Abend und viele Abschiede. Ich will ihn nicht missen und ein paar schöne Momente festhalten, aber ich freue mich auch darauf, in ein paar Wochen wieder zur Ruhe zu kommen und einen Blick auf die ganzen süßen neuen Möglichkeiten, die auf mich warten, zu werfen.



























16. August 2023

Monate

Weißt du, der Abschied war länger als ich ihn mir vorgestellt habe. Er war voll mit Nächten, in denen ich allein durch das nasse Tal gelaufen bin, die Hose voller Regentropfen und Tau bis zu den Hüften vom hohen Gras, die Augen schwer und müde. Auf schleifenförmigen Pfaden von ziellosen, fragenden Gedanken begleitet, auf die du mir nicht antworten konntest, bin ich bis hoch zur Brücke gewandert, in der Hoffnung der Wind kann mir verraten wo ich hin soll. Doch er hat dieselbe traurige Melodie gepfiffen, die er immer spielt, wenn ich dort bin. Manchmal frage ich mich schon noch, was du gesagt hättest, hätte ich den Mut und die Möglichkeit gefunden, alle Zweifel vor dir auszubreiten. Ich glaube, wir hätten sie mit aller Kraft angeschwiegen. Ich, weil ich nicht gewusst hätte, wie ich sie formulieren hätte können und du, weil sie so absurd unpassend im Raum stehen wie Kunst, die keiner von uns versteht. So haben sie mich eine gefühlte Ewigkeit in alle Richtungen gezogen und ich bin ihnen gefolgt bis zum letzten Schritt, aber nicht zurück nach Hause, sondern in die Ferne, mit der Aufforderung endlich den Kopf zu heben und Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Trotzdem wird mir das Herz schwer, wenn ich daran denke, dich in meiner Unordnung zurückgelassen zu haben.


5. April 2023

Das eigene Verlies

Du bist nicht hier. Doch könntest du mich sehen, würdest du mit einem nachsichtigen aber enttäuschtem Lächeln den Kopf schütteln. Du hast diese Entscheidung längst getroffen und mich direkt spüren lassen, wie falsch und schmerzvoll sie ist. Trotzdem stehe ich nun selbst auf der anderen Seite der Schlucht  und würde nichts lieber machen als mich kopfüber in ihren Abgrund fallen zu lassen, um in seiner bodenlosen Tiefe zu verschwinden. Ich will mich in seiner Dunkelheit wiegen, mich gänzlich in ihr einhüllen, sie aufsaugen wie ein nasser Schwamm, sodass wir eins werden und ich mich nicht darum sorgen muss, man könne mich hier unten finden, wenn man es wöllte. Die Kälte der Felsen an der brennenden Stirn hat mir ohnehin gefehlt. Ich brauche sie, um wieder klare Gedanken fassen, mich spüren zu können. Sie soll mich mit all ihrer Härte zurück in den Fluss der Gegenwart holen, ein kleines Loch in mich schlagen, sodass das Chaos entweichen und ich mich endlich in der einsamen Stille ausruhen kann; bis der Raum um mich herum nicht mehr bebt, bis ich das Blut in meinen Adern nicht mehr rauschen spüre, bis ich wirklich wach bin.


27. März 2023

A.



Dieser längst vergangene Sommer scheint mir so ewig her, die Erinnerung an ihn könnte aus einem ganz anderem Leben sein. Unter freiem Himmel im warmen Schneckenhäuschen schlafen, um die Sterne sehen zu können. Wie hätte ich da Nein sagen können. Die Musik wandelte von SOAD zu Nirvana und schließlich landeten wir bei The Smiths und so entwickelte sich auch unser Gespräch. Irgendwann sind wir eingeschlafen, das Licht wurde kälter und meine Angst verschwand fast vollständig. Am Morgen hast du Tee gekocht und das Wetter war ganz wundervoll für Abschied. Kalter Wind und feine Regentropfen. Obwohl ich mich so lang vor dem Aufstehen drückte, rückte der Zeitpunkt zum Gehen immer näher. Du hast versucht, dich im Moment festzuhalten. Wir könnten doch einen Roadtrip machen. Der Sommer sei noch lang. Doch eh ich mich versah, waren meine Hände wieder leer und ich bereit meine eigenen Wege zu gehen, allein und furchtlos. Aber wie lieb von dir, mir ein kleines Stückchen Vertrauen ins Fremde zurückzugeben. 


25. März 2023

Erleichterung

In meinen Träumen ziehe ich immer noch manchmal durch dieses riesige, alte Haus und seine weiten Gänge. Die Böden sind inzwischen vollkommen zugedeckt von Farnen und Moos. Von den Wänden bröckelt der Putz. Durch die Fenster kommt auch nur wenig Licht und die Flure werden immer enger, je weiter ich hineinlaufe. Trotzdem ist es friedlich geworden. Es gibt keine Beben mehr, die das Gemäuer erschüttern, sodass ich Angst haben müsste, die Balken könnten jederzeit wegbrechen und mich unter Schutt und Staub begraben. Alle Türen stehen offen und die Erinnerungen, die sich hinter ihnen versteckt hatten, haben das Weite gesucht, sich durch jede noch so kleine Ritze gezwängt, um in alle Himmelsrichtungen auszufliegen. Hier warten keine versteckten Überraschungen, nur modriger Geruch und Nostalgie. Ich kann es sogar ein wenig genießen, auch wenn ich immer noch nicht weiß, wo eigentlich die Tür nach draußen ist. Es beruhigt mich, dass ich wirklich allein hier bin und jede Nacht die an diesem Ort beginnt, endet sobald ich den Wind draußen pfeifen hören kann. 





22. März 2023

Stabile Seitenlage

Manchmal stelle ich mir vor, bist du wie ein kleines Boot, das mich durch ein weites Meer trägt, obwohl ich Angst vor dem Unbekannten und der Tiefe habe. Wenn ich mutig genug bin, kann ich die Segel setzen und werde ganz sicher unversehrt irgendwo ankommen. Wahrscheinlich ist es nicht einmal besonders wichtig, welchen Hafen wir ansteuern. Denn ehrlicherweise haben wir beide keine Ahnung, welche Wege die Richtigen sind. Wenn es stürmisch wird, kann ich mich unter Deck zurückziehen, in warme Decken einrollen, und falls nötig problemlos für einige Zeit verschwinden. Doch an den meisten Tagen, ist die See doch überraschend still und gar nicht kalt, als hätte die Welt nichts Böses im Sinn. Dann kann ich mich zurücklehnen, von sachten Wellen schaukeln lassen, gedankenlos in den Himmel schauen während die Wolken vorüberziehen und in den Armen der Freiheit einschlafen, bis es wieder Zeit wird, sich dem Alltag an Land zu stellen.

9. März 2023

Verzogen



Wenn morgen früh die Sonne aufgeht, will ich etliche meiner Sorgen und Ängste allein in der Dunkelheit zurücklassen. Die Zeit, in der ich mir völlig maßlos und ohne Rücksicht auf Konsequenzen alles Denkbare zugetraut habe, war rückblickend betrachtet die, in der ich einerseits beinah täglich mit Anlauf in fiese Fettnäpfchen gesprungen bin, andererseits am meisten gelernt und erlebt habe. Sicherlich bringt das die Zeit. Doch ich kann mir bei bestem Willen nicht vorstellen, dass es nicht mindestens so viele erste Male gibt, dass sie für ein ganzes Leben ausreichen. Es wird wirklich Zeit mich endlich wieder zu überwinden, ihnen hinterherzujagen als wäre das meine einzige Herausforderung im Leben. 
Ich weiß, der Winter ist zum Ausruhen und Kraft finden, aber mich lässt dieser Stillstand Jahr für Jahr sehr kraftlos zurück, sodass ich den Frühling kaum abwarten kann und den Sommer verplane eh die Bäume überhaupt zu blühen beginnen. Was dieses Jahr angeht, stehen einige größere Entscheidungen, dafür aber viel weniger Arbeit an. Was für eine wunderbare Gelegenheit neue Orte zu entdecken, Sachen zu machen, die ich noch nie gemacht habe, ja mir vielleicht endlich mehr zuzumuten und mein Vertrauen in die Welt erneut auszutesten. Doch zuvor will ich mich lösen von diesem Ort und mich zum Abschied ehrfürchtig vor den Bergen verneigen. Sie haben wie nichts anderes meine Lungen trainiert, sodass ich wann immer mir danach ist, verträumt hinunter ins Tal schauen kann. Der Wind hat mir melancholisch befreiende Melodien gespielt, wenn wir allein waren und ich mir stets pünktlich zum Frühlingsbeginn die Füße im Bach erfroren, weil ich nicht daran gedacht habe, dass das natürlich frisch geschmolzener Schnee ist. Bitte verurteile mich nicht, wenn ich immer noch nicht darüber hinweg bin, mir kaum etwas anderes zu wünschen als den süßen Kuss der Freiheit. Denn ich habe das Gefühl, sie ist mir schon jahrelang immer einen Schritt voraus und ich kann sie kaum einholen. Vielmehr zieht sie mich hinter sich her, als wüsste sie viel besser, wo ich hingehöre.

31. Januar 2023

für wen?



Es führt kein Weg daran vorbei, mich jede Nacht noch ein letztes Mal aus dem Fenster zu lehnen, um den ganzen Staub aus meinen Lungen zu atmen, unnötige Gedanken zu erfrieren, mich zu erinnern, dass ich trotz allem hier und jetzt frei bin und nichts bisauf meiner eigenen Disziplin hier halten kann. Trotzdem wird mir das Herz schwer, wenn ich realisiere, dass die Sterne so oft ihren Weg zu mir finden, du hingegen aber so unendlich weit weg bist. Doch ich weiß, würdest du mich brauchen, wüsstest du, wo du mich finden kannst. Bis dahin hoffe ich, du bist gerade auf deinen eigenen Wegen unterwegs, barfuß vor lauter Leichtigkeit, mit salzigen Locken vom Meer. Also warte ich hier und halte der winterlichen Kälte stand, für den Fall, dass es dir irgendwann reicht oder du müde wirst. Wenn du dann zurückkehrst, ist meine Hängematte längst wieder gespannt und offen für dich, dich bei mir zu verstecken und die Füße zu wärmen, bis die Wolken und das Leben endlich nicht mehr so schwer sind. Am Ende bin ich vielleicht die einzige Person, der dieses Warten Halt spendet, was die Sache nicht weniger wertvoll macht.