9. März 2023

Verzogen



Wenn morgen früh die Sonne aufgeht, will ich etliche meiner Sorgen und Ängste allein in der Dunkelheit zurücklassen. Die Zeit, in der ich mir völlig maßlos und ohne Rücksicht auf Konsequenzen alles Denkbare zugetraut habe, war rückblickend betrachtet die, in der ich einerseits beinah täglich mit Anlauf in fiese Fettnäpfchen gesprungen bin, andererseits am meisten gelernt und erlebt habe. Sicherlich bringt das die Zeit. Doch ich kann mir bei bestem Willen nicht vorstellen, dass es nicht mindestens so viele erste Male gibt, dass sie für ein ganzes Leben ausreichen. Es wird wirklich Zeit mich endlich wieder zu überwinden, ihnen hinterherzujagen als wäre das meine einzige Herausforderung im Leben. 
Ich weiß, der Winter ist zum Ausruhen und Kraft finden, aber mich lässt dieser Stillstand Jahr für Jahr sehr kraftlos zurück, sodass ich den Frühling kaum abwarten kann und den Sommer verplane eh die Bäume überhaupt zu blühen beginnen. Was dieses Jahr angeht, stehen einige größere Entscheidungen, dafür aber viel weniger Arbeit an. Was für eine wunderbare Gelegenheit neue Orte zu entdecken, Sachen zu machen, die ich noch nie gemacht habe, ja mir vielleicht endlich mehr zuzumuten und mein Vertrauen in die Welt erneut auszutesten. Doch zuvor will ich mich lösen von diesem Ort und mich zum Abschied ehrfürchtig vor den Bergen verneigen. Sie haben wie nichts anderes meine Lungen trainiert, sodass ich wann immer mir danach ist, verträumt hinunter ins Tal schauen kann. Der Wind hat mir melancholisch befreiende Melodien gespielt, wenn wir allein waren und ich mir stets pünktlich zum Frühlingsbeginn die Füße im Bach erfroren, weil ich nicht daran gedacht habe, dass das natürlich frisch geschmolzener Schnee ist. Bitte verurteile mich nicht, wenn ich immer noch nicht darüber hinweg bin, mir kaum etwas anderes zu wünschen als den süßen Kuss der Freiheit. Denn ich habe das Gefühl, sie ist mir schon jahrelang immer einen Schritt voraus und ich kann sie kaum einholen. Vielmehr zieht sie mich hinter sich her, als wüsste sie viel besser, wo ich hingehöre.

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