20. Dezember 2020

Über Stärke

Die Wintersonnenwende steht vor der Tür. Vor einem halben Jahr, zur Sommersonnenwende, wurde es für mich ein bisschen schneller dunkel als erwartet. Denn plötzlich lag ich im Koma und den restlichen Sommer in Kliniken. Ich musste mich abrupt von der Sonne verabschieden. Doch umso mehr freue ich mich, dass nun buchstäblich wieder mehr Licht in mein Leben kommt. Die Narben werden schöner und es scheint, als würde sogar meine Stimme ihren Weg zurück zu mir finden. 

Sechs Monate, in denen ich meine Geschichte verdammt oft erzählen durfte, sind vergangen und mindestens genauso oft fiel in diesem Zusammenhang das Wort "Stärke". Gedanklich versuche ich mich tatsächlich gerade mit einer Rolle, der metaphorischen Kriegerin zu identifizieren und ich mag die Idee wirklich. Ich will mich stark und wunderbar fühlen. Was genau das bedeutet, kann ich allerdings noch nicht sagen. Doch ich habe einige Experten auf diesem Gebiet gefragt, was "stark sein" für sie bedeutet. Hier eine kleine Auswahl ihrer Antworten:

"Stark sein bedeutet für mich, dass man, egal was man in seinem Leben erlebt hat, immer weiter macht... auch wenn man denkt es geht nicht. Ich bin momentan an einem Punkt wo ich denke... ich fühle mich immer an demselben Fleck... aber das ist gar nicht so... ich habe schon so viele Fortschritte gemacht, nur sehe ich diese immer nicht... da sie sehr klein sind.... aber dennoch sind es Fortschritte... die mir zeigen, dass ich stärker bin, als ich denke"
~Lilli

"Eine Person ist in meinen Augen stark, wenn sie das Leben so nimmt, wie es kommt; Wenn sie zu sich selbst und zu ihren Freunden steht und ihr Ding durchzieht; Wenn sie zu ihren Gefühlen steht und sich nicht dafür schämt auch mal zu Lachen oder vor allem zu weinen; Wenn sie weiß, wie man auch in einer beschissenen Lebenslage wieder aufsteht und den Mut nicht verliert; Oder auch, wenn man tapfer ist und auch an den kleinen Dingen im Leben versucht etwas Schönes zu sehen, auch wenn alles andere noch so kacke ist. Stark sind auch Menschen, die den Glauben an andere Leute nicht verlieren und sich für die einsetzen, die Schutz und Zuwendung brauchen. Oder auch wenn sie an sich selbst glauben, ihre Wünsche, Ziele versuchen umzusetzen und einfach ihr Leben zu nutzen, um zu leben und dafür kämpfen.
Stark sein bedeutet auch manchmal sich selbst zurückzunehmen, um die Leute, die man liebt, zu beschützen und zu trösten und ein Halt zu sein, wenn ein Schicksalsschlag kommt.
Stark sein ist auch, wenn man sich selbst treu bleibt, wenn man nicht vergisst, wo man herkommt und wo man hin will.
"
~Ellyna

"Ich würde sagen „stark sein“ bedeutet für mich, sich nicht vom Schlechten und Negativen, das einem widerfährt, überwältigen zu lassen, sondern immer weiter zu machen. Also das Gute und Positive im Blick zu behalten und weiter für die eigenen Ziele zu kämpfen. Oder sogar neue Kraft aus dem Negativen ziehen zu können."
~Nelly

"Stark sein bedeutet für mich mein Leben mit allen Höhen und Tiefen nach meinen Vorstellungen zu gehen; Mich nicht von Anderen beeinflussen lassen, mir andere Meinungen anhören und akzeptieren; Auch mal Schwächen zeigen und Fehler zugeben. z.B. habe ich mir als Teenager mein Zimmer mit einer lila Wand gewünscht und so lange genervt bis ich es bekam... Obwohl sie alle doof fanden und mich bekloppt. Genauso war mein erstes eigenes Bad schwarzweiß. Ich fand es schick und lies mir nichts anderes einreden. Schwarze Hochglanzfliesen. Nur zwei Beispiele."
~Meine Mama

"Stark sein. Ich glaube, als Kind wollte ich stärker werden, hab es aber nur auf meinen Körperbau bezogen, bis ich herausfand, dass das lächerlich ist. Meiner Meinung zeigt sich wahre Stärke in vielen Facetten.
Du lässt dich von Niederlagen nicht unterkriegen.
Du kannst alle Emotionen zeigen.
Du glaubst an dich selbst und das, was möglich ist, wenn du deinen Arsch hoch bekommst, anstatt ihn auf der Erde liegen zu lassen.
Du stellst dich der größten Herausforderung oder kämpfst auf dem brutalsten Schlachtfeld: das Leben. So unerbittlich, bis du deine Bestimmung gefunden hast. Nirgendwo gewinnst und verlierst du so viel wie im Leben.
"
~der kleine Albatros

"Keine Ahnung, irgendetwas zwischen Durchhalten und den Mut zu haben, nicht alles immer durchhalten zu wollen."
~Maria

"Ich denke Du meinst mehr als die allererste Bedeutung, aber die kann ja nicht unnütz sein. "Stärke" etwas bewegen, etwas erreichen, über Widerstände hinausgehen, überwinden. Abstrakter gesagt, scheint es für mich viel um Willen zu gehen; etwas fokussieren, etwas erreichen wollen und im Auge zu behalten auch, wenn es heißt, durch Schmerz zu gehen; Sich nicht ablenken lassen. Stärke kann auch eine Haltung beschreiben, Erfolg zu erwarten. Wenn du stark bist, behältst du im Auge, was dir wichtig ist und konzentrierst dich darauf, egal was auch immer dir über den Weg läuft. Es heißt nicht emotionslos zu sein, kann aber heißen über Gefühle für eine Zeit hinwegzugehen. Es kann vielleicht im Bezug auf Gefühle heißen, sie zu akzeptieren und ihnen einen Sinn zu geben anstatt sich in Selbstmitleid und Verzweiflung zu verlieren.
Das wär ein Anfang. Ich wäre gerne stark.
Ich hab' natürlich jetzt vor allem positive Bedeutungen von Stark sein genannt. Aber es hängt alles davon ab, was schwach heißt und ob das was Schlechtes ist. Aber die Frage ist ja, warum macht man sich Gedanken über so ein Wort? Doch deshalb, weil man an Idealen bastelt für sich und andere. Und dann konzentriere ich mich darauf, was es im besten Sinne heißt stark zu sein. Auch wenn man gerade verliert. Wie man in der Schwäche noch stark und beeindruckend sein kann, z.B. wenn man Prinzipien über Grundbedürfnisse setzt. Was ich auch stark finde, ist die Angst zu überwinden und in Beziehung zu anderen Menschen zu gehen, auch nachdem man die Erfahrung gemacht hat auch hintergangen werden zu können; weiterhin guten Willen zu unterstellen, als wäre man so 'naiv'."
~
Markus

"Ich hab jetzt eine Weile darüber nachgedacht und festgestellt, dass es gar nicht so leicht in Worte zu fassen ist. Ich finde Optimismus sehr stark, wenn Menschen auch in "schlechten Situationen" etwas Gutes finden. Und wenn man reflektiert über schlimme Dinge, die einem geschehen sind, sprechen kann. Das finde ich sehr stark. (Das beziehe ich aber vor allem auf andere Menschen )
Mir ist aber auch aufgefallen, dass mir selbst stark sein oft heißt, dass ich meine Gefühle nicht zeige oder unterdrücke in einem bestimmten Moment (was eigentlich nicht so cool ist)
"
~Lena

11. Dezember 2020

Das genähte Shirt



Die Löcher waren auf einmal alle weg. Nicht schlimm, dachte ich mir und trotzdem musste ich weinen. Es war einfach nicht mehr das, was es vorher war. So kaputt und ranzig von den Abenteuern des  vergangenen Sommers habe ich es anscheinend sehr geliebt. Es war immer dabei, denn so hatte ich stets einen Teil von dir bei mir. Und überhaupt, wie hältst du es nur mit mir aus? Ich will immer nur raus und weg. Die vier Wände machen mich wahnsinnig und du lässt mich jedes Mal lächelnd losziehen, vertraust darauf, dass ich wiederkehre und im Kern derselbe Mensch bleibe.

9. Dezember 2020

Warum nicht wieder barfuß Altglas wegbringen?

 Ich wünschte ein kleines Wesen würde mich stets begleiten und auf einer flüsterleisen Schreibmaschine die Lebenslektionen, die ich bereits lernen durfte, mitschreiben. Ich könnte sie praktischerweise nochmal nachlesen, nur würde ich vermutlich trotzdem immer wieder dieselben Fehler machen, solange es sich zum Zeitpunkt des Entschiedungtreffens richtig anfühlt. Doch wenn ich irgendwann alt und grau bin, kann ich ganz stolz meinen Enkeln daraus vorlesen. Ganz sicher werden sie ebenfalls den gleichen Mist wieder und wieder verbrocken und dann lache ich über ihren jugendlichen Leichtsinn und entgegne rein aus Prinzip: "Ich hab's euch ja gesagt."

7. Dezember 2020

Das kam unerwartet...

Damit habe in nächster Zeit tatsächlich nicht gerechnet, doch mein Herz schreit schon wieder nach der Fremde. Ich kann es kaum abwarten, mich nicht mehr schonen zu müssen und endlich wieder unterwegs zu sein. Der Sommer soll bitte, bitte nicht so lang auf sich warten lassen. Die umliegenden Wälder sind erkundet. Wie soll ich nur den restlichen Winter überleben, still sitzen und lernen, ohne impulshaft auszubrechen, das Studium zu schmeißen und mich in den nächstbesten Zug zu setzen? Hoffenlich gibt sich mein Gemüt mit der wunderbaren kalten Luft und dem Flussrauschen zufrieden. Das Fernweh muss doch nur ein paar Monate unterdrückt werden. Umso schöner wird der Tag sein, an dem es endlich wieder losgeht und wir unsere eigene kleine Revolution ausrufen.