27. März 2023

A.



Dieser längst vergangene Sommer scheint mir so ewig her, die Erinnerung an ihn könnte aus einem ganz anderem Leben sein. Unter freiem Himmel im warmen Schneckenhäuschen schlafen, um die Sterne sehen zu können. Wie hätte ich da Nein sagen können. Die Musik wandelte von SOAD zu Nirvana und schließlich landeten wir bei The Smiths und so entwickelte sich auch unser Gespräch. Irgendwann sind wir eingeschlafen, das Licht wurde kälter und meine Angst verschwand fast vollständig. Am Morgen hast du Tee gekocht und das Wetter war ganz wundervoll für Abschied. Kalter Wind und feine Regentropfen. Obwohl ich mich so lang vor dem Aufstehen drückte, rückte der Zeitpunkt zum Gehen immer näher. Du hast versucht, dich im Moment festzuhalten. Wir könnten doch einen Roadtrip machen. Der Sommer sei noch lang. Doch eh ich mich versah, waren meine Hände wieder leer und ich bereit meine eigenen Wege zu gehen, allein und furchtlos. Aber wie lieb von dir, mir ein kleines Stückchen Vertrauen ins Fremde zurückzugeben. 


25. März 2023

Erleichterung

In meinen Träumen ziehe ich immer noch manchmal durch dieses riesige, alte Haus und seine weiten Gänge. Die Böden sind inzwischen vollkommen zugedeckt von Farnen und Moos. Von den Wänden bröckelt der Putz. Durch die Fenster kommt auch nur wenig Licht und die Flure werden immer enger, je weiter ich hineinlaufe. Trotzdem ist es friedlich geworden. Es gibt keine Beben mehr, die das Gemäuer erschüttern, sodass ich Angst haben müsste, die Balken könnten jederzeit wegbrechen und mich unter Schutt und Staub begraben. Alle Türen stehen offen und die Erinnerungen, die sich hinter ihnen versteckt hatten, haben das Weite gesucht, sich durch jede noch so kleine Ritze gezwängt, um in alle Himmelsrichtungen auszufliegen. Hier warten keine versteckten Überraschungen, nur modriger Geruch und Nostalgie. Ich kann es sogar ein wenig genießen, auch wenn ich immer noch nicht weiß, wo eigentlich die Tür nach draußen ist. Es beruhigt mich, dass ich wirklich allein hier bin und jede Nacht die an diesem Ort beginnt, endet sobald ich den Wind draußen pfeifen hören kann. 





22. März 2023

Stabile Seitenlage

Manchmal stelle ich mir vor, bist du wie ein kleines Boot, das mich durch ein weites Meer trägt, obwohl ich Angst vor dem Unbekannten und der Tiefe habe. Wenn ich mutig genug bin, kann ich die Segel setzen und werde ganz sicher unversehrt irgendwo ankommen. Wahrscheinlich ist es nicht einmal besonders wichtig, welchen Hafen wir ansteuern. Denn ehrlicherweise haben wir beide keine Ahnung, welche Wege die Richtigen sind. Wenn es stürmisch wird, kann ich mich unter Deck zurückziehen, in warme Decken einrollen, und falls nötig problemlos für einige Zeit verschwinden. Doch an den meisten Tagen, ist die See doch überraschend still und gar nicht kalt, als hätte die Welt nichts Böses im Sinn. Dann kann ich mich zurücklehnen, von sachten Wellen schaukeln lassen, gedankenlos in den Himmel schauen während die Wolken vorüberziehen und in den Armen der Freiheit einschlafen, bis es wieder Zeit wird, sich dem Alltag an Land zu stellen.

9. März 2023

Verzogen



Wenn morgen früh die Sonne aufgeht, will ich etliche meiner Sorgen und Ängste allein in der Dunkelheit zurücklassen. Die Zeit, in der ich mir völlig maßlos und ohne Rücksicht auf Konsequenzen alles Denkbare zugetraut habe, war rückblickend betrachtet die, in der ich einerseits beinah täglich mit Anlauf in fiese Fettnäpfchen gesprungen bin, andererseits am meisten gelernt und erlebt habe. Sicherlich bringt das die Zeit. Doch ich kann mir bei bestem Willen nicht vorstellen, dass es nicht mindestens so viele erste Male gibt, dass sie für ein ganzes Leben ausreichen. Es wird wirklich Zeit mich endlich wieder zu überwinden, ihnen hinterherzujagen als wäre das meine einzige Herausforderung im Leben. 
Ich weiß, der Winter ist zum Ausruhen und Kraft finden, aber mich lässt dieser Stillstand Jahr für Jahr sehr kraftlos zurück, sodass ich den Frühling kaum abwarten kann und den Sommer verplane eh die Bäume überhaupt zu blühen beginnen. Was dieses Jahr angeht, stehen einige größere Entscheidungen, dafür aber viel weniger Arbeit an. Was für eine wunderbare Gelegenheit neue Orte zu entdecken, Sachen zu machen, die ich noch nie gemacht habe, ja mir vielleicht endlich mehr zuzumuten und mein Vertrauen in die Welt erneut auszutesten. Doch zuvor will ich mich lösen von diesem Ort und mich zum Abschied ehrfürchtig vor den Bergen verneigen. Sie haben wie nichts anderes meine Lungen trainiert, sodass ich wann immer mir danach ist, verträumt hinunter ins Tal schauen kann. Der Wind hat mir melancholisch befreiende Melodien gespielt, wenn wir allein waren und ich mir stets pünktlich zum Frühlingsbeginn die Füße im Bach erfroren, weil ich nicht daran gedacht habe, dass das natürlich frisch geschmolzener Schnee ist. Bitte verurteile mich nicht, wenn ich immer noch nicht darüber hinweg bin, mir kaum etwas anderes zu wünschen als den süßen Kuss der Freiheit. Denn ich habe das Gefühl, sie ist mir schon jahrelang immer einen Schritt voraus und ich kann sie kaum einholen. Vielmehr zieht sie mich hinter sich her, als wüsste sie viel besser, wo ich hingehöre.