20. Oktober 2020

In Sicherheit

Lehn' dich zurück.
Lass dich ruhig und vorsichtig fallen.
Nichts und niemand wird dir wehtun.
Ich weiß ganz genau, dass zwischen uns ein sicherer Ort ist.
Die Worte verblassen einfach in der Luft.
Die Tränen werden von der Sonne getrocknet.
Wir können so lange bleiben, wie wir möchten.
Hol' tief Luft und atme einmal so richtig durch.
Vertraust du mir?
Wir müssen nicht gehen, solange dieser Kreis nicht geschlossen ist.
Ich kann dir zwar nicht versprechen,
dass die Sonne morgen erneut für uns aufgeht,
aber solange es dunkel ist, bleibe ich gern an deiner Seite.

 

19. Oktober 2020

Danach

 
Gelähmt und leer hocke ich unter der Brücke, mich vor dem Mondschein versteckend. Wann habe ich verlernt zu weinen und wie soll ich jetzt nur die ganzen beschissenen Gedanken aus meinem Kopf kriegen? Dieses Buch muss langsam wieder geschlossen werden. Zu viele Menschen schreiben ungefragt hinein und ich habe keine Kontrolle mehr über den Inhalt. Lasst mich, mich wieder etwas in mir verkriechen. Ich bin am liebsten allein, bei kühler Herbstluft.
Wo würde ich wohl landen, würde ich mich jetzt vom Ufer lösen und ins kalte Wasser springen?  Tatsächlich hält mich niemand auf. Kopfüber stürze ich mich in die Flut, treibe schnell aber leicht auf dem Wasser bis ich keine Bäume und Wiesen mehr sehen kann. Ich bin so fern von mir selbst. Irgendwann ist jeglicher Boden verschwunden. Aus dem Bach wurde ein reißender Fluss und schließlich ein Meer. Keine Schiffe weit und breit. Hier würde ich gewiss noch viel Zeit nur mit mir verbringen können, hätte ich mich nicht vor Kilometern schon verloren, in den Himmel schauend und an all die Sachen denkend, die ich absolut nicht verstehen kann.
 

15. Oktober 2020

Die Trauerfeier

Wie viele Regentage haben ihr ihre Augen wohl vorgetäuscht bevor sie den Himmel wieder klar sehen konnte? Hättest du nur gehört wie sie von der Weide und den Schafen sprach. Es war ein Teil eurer Geschichte und fast wollte ich sie zum schweigen bringen. Wieso teilt sie diesen Moment mit uns, wenn er doch nur euch beiden gehören sollte? Die Geschichten sind schließlich das Einzige, was ihr noch von dir blieb. Und machmal frage ich mich, wo du warst. Die Luft war so schwer, man konnte kaum atmen. Nicht nur ich habe darauf gewartet, dass du aus dem Nichts erscheinst und die Arme öffnest, um sie völlig darin verschwinden zu lassen.


10. Oktober 2020

Wo Frieden ruht

 Ist es okay, wenn ich mich noch ein wenig in deinen warmen Händen wiege?
Mich versinken lasse in den Fäden, die du zwischen deinen Fingern gespannt hast? Wenn ich Wimpel und Lichterketten aufhänge? Mich zudecke mit deinem sachten Hauch, der uns beide vor der Kälte schützen soll? Darf ich mich hier schlafen legen und meinen Kopf auf deinem Daumen ablegen? Lässt du mich auf deiner rauen Haut Frieden finden? Ich vertraue dir auf einer ganz anderen Ebene und ich weiß, du würdest niemals Fäuste ballen.


8. Oktober 2020

Morgen wird bestimmt ein besserer Tag

 

 Zu all den Dingen, die ich niemals aussprechen könnte, wenn du mir gegenüber stehst, gehört definitiv das Gefühl von Schwere in meiner Brust, wenn ich in mich gehe und versuche den Klang deiner Stimme zu rekonstruieren. Denn für mich hat es sich angehört, als hätten sich zwischen deinen Worten unendlich weite Abgründe aufgetan, über die man nicht mal mit genügend Anlauf und Beinkraft hätte springen können. Wir mussten uns eingestehen, dass keiner von uns fliegen kann. So knieten wir am Rand dieses riesigen bodenlosen Lochs, und ich bin mir ganz sicher, dass ich deine Hilfeschreie immer dann hören konnte, wenn nichts mehr gesagt wurde. Jetzt sitzen sie tief in mir, gemeinsam mit dem Gefühl von Verzweiflung. Ich weiß, du konntest nichts machen. Mir ging es genauso.

7. Oktober 2020

Minimale Eindrücke

Ich vermisse diese wunderbare Freiheit und Leichtigkeit des Alleinunterwegsseins und die unglaublich schöne Gewohnheit zu leben. Leider war ich zu faul viele Fotos zu machen. Stattdessen wollte ich jeden Moment genießen, was mir auch gut gelungen ist, glaube ich jedenfalls. Ich durfte wunderbare Menschen treffen, wertvolle Gespräche führen, und habe wieder sehr viel über mich selbst und meine Umwelt gelernt. Die Zeit war so schön, aber leider viel zu kurz und kaum in Worte zu fassen. Deswegen bin ich mir heute schon sicher, dass ich in ein paar Jahren erneut dabei sein werde. Also Hände hoch. Hier kommt eine Bilderwelle.






 






6. Oktober 2020

Narben

Sie wachsen, schrumpfen, spannen, jucken
und ändern täglich ihre Farbe.
Sie erinnern mich an meine Verletzlichkeit,
aber auch an meine Stärke.
Sie verlangen all meine Aufmerksamkeit,
und flüstern mir die widersprüchlichsten Mantras zu.
Doch ich bleibe bei meinen eigenen,
denn sie halten mich in meiner Welt
und verlocken mich in schwachen Momenten nicht
nach "meinem alten Ich" zu suchen.
Wir bleiben doch niemals Dieselben.
Aber ich bin mir ganz sicher,
dass die Zeit sämtliche Wunden heilen kann.


 

(März und September 2020, vllt derselbe Mensch, aber unterschiedliche Leben)

5. Oktober 2020

Nah

 
Die Granulome in meinem Hals können mir mühelos den Atem rauben. Doch am Ende bin ich meist stärker und so habe ich es endlich wieder auf einen der Berge gegenüber unserer Wohnung geschafft. Hier oben weht kein Wind, sondern das Gefühl von Freiheit. Diese gar nicht mal so atemberaubende Aussicht - weites Feld, dahinter die Stadt im Tal und dahinter wiederum nur noch mehr Erzgebirge - lässt mich wieder wissen wie klein ich und damit auch meine Sorgen sind. Hier oben habe ich irgendetwas wiedergefunden - sei es Frieden mit mir selbst, Optimismus oder lediglich meine gute Laune; jedenfalls wird es mich in Zukunft retten und ich bin so froh, dass es nun wieder da ist.
 

4. Oktober 2020

Zurück zum Ehrenamt


 
In diesem Spiel bin ich die einzige Lichtquelle. Ich führe meine neugewonnen Krieger in die Mitte des Labyrinths im Schlossgarten, platziere meine Taschenlampen und pfeife zur Jagd. Die Einen haben sich bereits versteckt und nun zieht der Rest los, um sie zu finden. Nur ich bleibe zurück. Im Garten wird es plötzlich ganz still. Hin und wieder höre ich rechts und links von mir Rascheln zwischen den Hecken. Unter mir ist der Boden kalt und nass. Doch über mir beglückt uns das Leben mit einem atemberaubenden Sternenhimmel, in dem sich gefühlt minütlich Sternenschnuppen zeigen. 
Drei Stunden vergehen und niemand kann es mehr leugnen. Im Herzen sind wir alle Kinder. Wir rennen durch die Nacht, schreien und lachen laut als wären wir weit und breit die einzigen Menschen. Niemand verurteilt uns. Niemand hält und für verrückt und falls doch, dann zieht das an uns vorüber wie die Nacht selbst. Morgens totmüde, aber unbeschreiblich glücklich für diesen Moment, weil wir merken, dass die Welt gar nicht so scheiße ist, wie die Gesellschaft uns glauben lässt. 
Ein neues Jahr für Freiwilligendienstleistende beginnt und ich freue mich schon wieder riesig einige von ihnen auf ihrem Weg begleiten zu dürfen. Ich will euch wachsen sehen. Also auf eine neue Runde nächtelang am Lagerfeuer sitzen und über's Leben reden, verrückte Geländespiele spielen und das Privileg der selbstbestimmten Bildung genießen. Oder wie ich es auch gern nenne: bezahlten Urlaub.





1. Oktober 2020

Wenn der Regen nachlässt

 
Die ganze Zeit habe ich mich gegen den Wind gelegt, wollte standhaft und aufrecht bleiben, Widerstand gegen den Sturm leisten, mich nicht einfach wegpusten lassen. Doch jetzt lässt das Unwetter nach und ich finde nicht genügend Gleichgewicht, um mich auf den Beinen zu halten. Stattdessen falle ich ihm entgegen. Und falle. Und falle.