6. November 2022

Von kalten Fingern und einem warmen Gefühl

Als mir vor ein paar Tagen beim Tragen dieses mit nasser Erde gefüllten 10l Eimers beinah die Finger vor Kälte abgefallen sind, habe ich mir doch endlich eingestanden, dass die warmen Tage vorüber sind und der Winter bald schon an die Tür klopfen wird.
Vor wenigen Wochen haben wir noch auf dem sandigen Boden, zwischen Heidekraut und Spinnen, im Schutz der Felsen, unter dem sternenklaren Nachthimmel geschlafen und ich mich gefragt, ob der kühle Wind mir zumindest eine einzige lebensverändernde Erkenntnis in den Kopf wehen wird, wenn die Wolken so tief hängen, dass ich nur mit Mühe die Häuser im Tal erkennen kann, während wie von Drachenatem verwirbelte Nebelschwaden an mir vorüberziehen.

Heute fand ich mich schließlich am anderen Ende der Stadt auf einem Berg wieder, auf dem ich gar nicht so viel Feld sondern eher Wald erwartet hatte. Doch dann stand ich dort, mit ewig weiter Sicht auf das Gebirge, dessen Berge sich in allen Blaunuancen zerstreuten nur, um am Horizont eins zu werden mit einer flachen Wolkenwand, die ich zunächst ebenfalls für Berge hielt. Vor mir flimmerte der Himmel mit der letzten Kraft der Sonne sacht in orange und lila. Hinter mir folgte der Vollmond, wie er ebenfalls über die Berge wanderte. Und so zwischen Mond und Sonne ist mir plötzlich klargeworden, egal wie oft ich darüber meckere, dass ich als Kind des Flachlandes hier völlig fehlplatziert bin, ein Teil von mir doch immer bleiben wird. So wie ich manchmal ganz nostalgisch an die Kiesgrube und das elendig weite Nichts rechts und links dieses einen Feldweges hinter dem Ort, wo ich meine erste eigene kleinen Wohnung bezogen hatte, sowie an den Eisbach und den Langwieder See zurückdenke, werde ich mich vermutlich auch nach diesem Ort sehnen; Nicht nach dem fehlendem Licht im Winter, wenn die Sonne nur für einen ganz kurzen Moment bis ins Tal vordringt, aber nach dem Gefühl, völlig außer Atem und mit roten Wangen oben auf einem Berg anzukommen und mit der schönsten Aussicht und einem Kuss des Windes belohnt zu werden. Sollte ich mich im nächsten Jahr dazu entschließen, endlich mal ans Meer zu ziehen, dann werde ich den Bergen und vor allem ihren harten Felsen, auf denen ich so oft Ruhe gefunden habe, einen kleinen Bach nachweinen. Es ist dieses Gefühl, das aufkommt, wenn man die Gelegenheit bekommt, in die Ferne zu schauen und zu wissen, dass dazwischen nichts als Natur ist, selbst wenn es nur um Felder geht. Denn das ist der einzige Moment, der so radikal mit den Reizen der Stadt bricht, dass es sich anfühlt, als würde die Welt stillstehen oder sich zumindest mal in einer angemessenen Geschwindigkeit drehen. Es ist genau das, was ich brauche, um diesen realitätsverzerrenden Illusionen zu entkommen, wie wenn man im Herbst schon riechen kann, wie sich der Frühling im März erst ganz langsam anschleicht und dann im April sehr plötzlich da ist. Ja es erinnert mich daran geduldig zu sein und auf die langsamen Dinge um mich herum zu achten. 


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