5. September 2020

An meine alte Stimme

Meine liebe, liebe Stimme,

Wie hätte ich ahnen können, dass ich dich einmal so sehr vermissen werde. Ich hätte dich so viel mehr geehrt, es so viel mehr genossen zu singen. Jetzt bin ich allein hier und du wahrscheinlich für immer verstummt. Wenn wir nur ein einziges Mal noch einen gemeinsamen Abend zu Queen verbringen könnten, dann hätte ich zumindest eine Chance mich richtig von dir zu verabschieden. Doch so bist du mit einem schrillen Schrei der Verzweiflung und Angst gegangen und ich kann mich nicht an deine letzten Worte erinnern. Für andere ist das bestimmt unbegreiflich, doch ich vermisse dich wirklich so sehr...  Du warst der Schlüssel zu so vielen wunderbaren Dingen, zu denen ich mir nun irgendwie anders Zutritt verschaffen muss, wenn ich sie genießen möchte. Trotzdem soll ich die Hoffnung nicht verlieren, sagte sie. Wunder sind wohl nie ausgeschlossen. Ich gebe mir wirklich Mühe, dich in meinem Kopf zu erhalten. So wirst du hoffentlich noch lange ein Teil von mir sein. 

Ich denke an dich, versprochen. 



Meine Stimme ist zweifellos den Heldentod gestorben. Wie ein Schild fingen die Stimmlippen Hitze und Dämpfe ab, und schützten damit meine Lunge vor einem Inhalationstrauma. Leider sind sie nun vernarbt und tragen Granulome.

Jetzt gilt es ganz viel Mut und Kraft aufzubringen, um das Beste aus der Situation rauszuholen. Vielleicht wird die Medizin mir eine neue Stimme schenken können und selbst wenn sie klingt, als hätte ich 50 Jahre Kette geraucht, dann verleiht sie meinen Geschichten doch am Ende nur den wunderbaren Charme eines alten Seemannes voller Lebenserfahrung. 

Ich freue mich so sehr auf den Tag, an dem das alles geschafft sein wird. 

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