25. November 2024

Tschüssi

 Nach einigen Monaten des Abwägens und Ausprobierens bin ich froh, mich nun doch gegen die eisernen Ketten und für die Unsicherheit entschieden zu haben. Es ist genau, wie du es mir schon im Sommer gesagt hast. Das Schiff sinkt und das heißt, dass es immer dringender wird, es zu verlassen. Jetzt habe ich die letzten unendlich langen Stunden hinter mir und als ich mit dem letzten Schritt zurück ans Land trat, ist mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Plötzlich scheint die Sonne im Winter und anstatt der drückend grauen Kälte im Gesicht, spüre ich wieder den Boden unter meinen Füßen. Ich fühle mich sicher und habe keine Angst mehr vor dem nächsten Morgen. Was für eine gute Möglichkeit, sich wiederzufinden eh das Jahr um ist.



14. November 2024

Kein Land in Sicht


Wie betäubt schaue ich in den Spiegel und frage mich ehrlich, wer dort vor mir steht. Die Augenringe sind mir bekannt, nicht aber die in Falten gelegte Enttäuschung, der Unmut auf den Lippen und die raue See in den Augen. Ein salziges Meer, nicht tief, aber ruhelos. Woher kommt dieser Sturm? Wie lange dauert er noch an? Und wo kann ich mich vor ihm in Sicherheit bringen, wenn ich vor lauter Wasser nichts mehr sehen kann?



26. Oktober 2024

24. Oktober 2024

Angriff

In diesem Leben bin ich eine Figur, die fortwährend damit beschäftigt ist, einen sicheren Ort zu finden. Überall lauern die Geister, die mich jagen. Auf der Straße, im Wald, im Innenhof. Sie klingeln nicht, sie treten einfach ein. Sie lassen sich nicht abschrecken von der Lichtflut und verstecken sich nicht unter dem Bett. Sie kriechen zu mir unter die Decke, umklammern mich bis sie mich gänzlich einhüllen und fressen sich in meine Haut. Sie nagen an meinen Gedanken, steuern Träume bei Tag sowie bei Nacht. Sie legen sich mit ihrem vollen Gewicht auf meinen Brustkorb und strecken sich bis in die Hände und Füße. Ich fühle mich so schwer, ich kann nicht aufstehen, noch habe ich genug Kraft zum Atmen. An den meisten Tagen würde ich mich ihnen am liebsten hingeben und für immer verschwinden. An anderen Tagen greife ich an, selbst wenn sie längst unter meiner Haut sind.




22. Oktober 2024

flüchtig und voller Arbeit

Der Sommer und ich, wir sind in diesem Jahr aneinander vorbeigeeilt und haben uns nur flüchtig gesehen. In der Hast war kaum Zeit für ausgiebiges Liegen in der Hängematte, Wandern oder Dinge, die ich noch nie gemacht habe. Glaub mir, ich wäre gern stehengeblieben, hätte dich am liebsten festgehalten, mich bis zuletzt an deinen warmen Händen gewärmt und gefragt, ob du nicht noch kurz bleiben möchtest. Doch ich war zu beschäftigt. Immer nur Arbeiten, aber ohne Mehrwert.

Ich sehe mich nur bei den letzten Sonnenstrahlen am See liegen, auf der Picknickdecke, hinter mir die Kuhweide, die Augen geschlossen und voller Tränen, weil es wirklich nicht leicht ist, so oft mit sich selbst konfrontiert zu werden. Doch dafür habe ich gelernt, dass ich meine wertvolle Zeit nicht verschwenden möchte. Jede Minute soll mich lächeln lassen, etwas lehren, oder mindestens ein bisschen schöner als erträglich sein. Deine Worte "Verlasse das sinkende Schiff, solange es noch geht", klingen mir immer noch im Ohr. Nachdem ich so lange auf der Planke stand, fragend auf die Wellen starrte und nicht wusste, ob ich wirklich springen will, seile ich mich nun ab mit der Gewissheit, dass nicht so weit weg ein kleines Schiffchen auf mich warten wird. Außerdem, so musste ich mich selbst erinnern, kann ich doch schwimmen und mich nicht nur schwermütig nach dem Meer sehnen.